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Die PKR ist bunt: Ein Interview mit Julia Effertz

Julia Effertz ist Schauspielerin, Drehbuchautorin und Deutschlands erste Intimitätskoordinatorin

Julia Effertz; Schauspielerin, Drehbuchautorin und Deutschlands erste Intimitätskoordinatorin
Julia Effertz, Foto: Kim Hardy

Was macht eine Intimitätskoordinatorin?

So wie ein*e Stuntkoordinator*in bei einer Stunt-Szene, plant und choreografiert ein*e Intimitätskoordinator*in intime Szenen für Film, Fernsehen und Bühne. Ich unterstütze die Regie bei der Umsetzung ihrer kreativen Vision, übersetze diese in Bewegung und choreografiere intime Szenen so, dass die persönlichen Grenzen der Spielenden gewahrt bleiben.

Mein Job ist letztlich, für Klarheit bei allen Beteiligten – Cast und Crew – zu sorgen, was in einer Szene erzählt wird und wie die Szene umgesetzt wird. Dazu gehören detaillierte Gespräche mit den verschiedenen Gewerken weit vor dem Drehtag und ausreichend Probenzeit. Wichtig ist ein zeitlicher Vorlauf für unsere Vorbereitung, denn die Darstellung von Intimität ist ein sensibler Arbeitsbereich mit einem psychologischen Verletzungsrisiko für Spielende.  

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Weiterbildung zur Intimitätskoordinatorin zu machen und wie sieht diese aus?

Ich arbeite seit vielen Jahren als Schauspielerin für Film und Fernsehen, die Herausforderungen in der Darstellung von Intimität waren mir aus meiner schauspielerischen Arbeit also bekannt. Und ich liebe Bewegung! Ich tanze seit meiner Kindheit, mache seit vielen Jahren Kampfsport. Als Schauspielerin hat mich immer fasziniert, wie nuanciert, tief und kraftvoll ich körperlich erzählen kann.

Mit dem Beginn der #metoo-Bewegung Ende 2017 und meiner Begegnung mit einer Intimacy Coordinator (IC) beim Filmfestival in Cannes 2018 kam eins zum anderen und ich wusste sofort: ich will das als Schauspielerin lernen und ich möchte Veränderung in der Branche schaffen. Im November 2018 stellte ich das Thema erstmalig in Berlin vor, im Sommer 2019 begann ich meine Weiterbildung bei Intimacy on Set (IoS) in London. Abgeschlossen habe ich meine Weiterbildung bei der Intimacy Professionals Association (IPA) in Los Angeles im Sommer 2021.

Das Herzstück einer IC-Ausbildung ist die choreografische Expertise, flankiert mit Kenntnissen in Kostüm, Bildgestaltung, Konfliktmanagement und Kommunikation innerhalb von Machthierarchien. Wir sind Choreograf*innen, Vermittler*innen, kreative Partner*innen und vor allem langjährige Branchenpraktiker*innen. Diese Set-Position braucht Erfahrung und man braucht eine ruhige Hand und eine gelassene, gefestigte Persönlichkeit, denn wir arbeiten in einem sensiblen Bereich, in dem Menschen traumatisiert werden können.

Die Ausbildung für diesen jungen Beruf ist noch nicht standardisiert, aber die amerikanische SAG-Aftra hat Qualitätsstandards und Ausbildungskriterien definiert, und eine Handvoll Ausbildungsprogramme akkreditiert, darunter IoS und IPA. Es ist ein noch junger Beruf und wir bilden uns fortlaufend weiter. Auch ich bin neben meiner Arbeit für Drehs und Theater regelmäßig in Fortbildung, tausche mich mit meinen Kolleg:innen im In- und Ausland aus. Wir sind eine kleine, überschaubare Community in einer hochspezialisierten Nische.

Werden Intimitätskoordinatorinnen und -koordinatoren schon häufig im deutschen Film eingesetzt? (gibt es überhaupt Männer in diesem Beruf?)

Als ich 2019 den Beruf nach Deutschland brachte war ich lange die einzige ausgebildete Intimacy Coordinator im deutschsprachigen Raum. Die ersten zwei Jahre führte ich vor allem viele Aufklärungsgespräche, gab viele Interviews und Workshops. Anfangs gab es auch Widerstände und ich war mir nicht immer sicher, ob diese Position, anders als im englischsprachigen Ausland, sich überhaupt in Deutschland etablieren würde.

Aber seit 2021 wird diese Position immer öfter angefragt und schon in der Planung eines Projekts mitgedacht. Das ist toll – und eben genau so wie man auch den Stunt von Anfang an mitdenkt, plant und budgetiert. Mittlerweile haben wir in Deutschland die erste professionelle Vereinigung ausgebildeter Intimacy Coordinators gegründet: den Berufsverband für Intimitätskoordination und Kampfchoreografie (BIK).

Als Berufsverband etablieren wir Qualitätsstandards, Standardgagen und unsere Mitglieder können direkt für Projekte angefragt werden. Anlässlich der Berlinale 2023 haben wir die erste internationale Konferenz zum Thema Intimitätskoordination veranstaltet, zu der viele Kolleg:innen aus dem Ausland extra nach Berlin gereist sind. Diese Entwicklungen sind eine Freude! Selbstverständlich arbeiten auch Männer als ICs, wenngleich aufgrund der (noch) fehlenden Parität in den Filmteams oft ein weiblicher IC angefragt wird; psychologisch ist es für eine Schauspielerin eine große Unterstützung, wenn noch eine Frau mit am Set ist und sie schützt. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die öffentlich-rechtlichen Sender die Intimitätskoordination für ihre Produktionen als Standard festsetzen, so wie die britische BBC es seit 2022 tut. 

Vita

Julia Effertz ist Schauspielerin, Drehbuchautorin, PKR-Mitglied – und Deutschlands erste Intimacy Coordinator. Neben ihrer Arbeit als Schauspielerin brachte sie 2019 Intimacy Coordination nach Deutschland und unterstützt seit Anfang 2020 deutschsprachige und internationale Produktionen für Film, TV und Bühne. Aktuell ist Julia als Schauspielerin in der ARD-Serie „Das Netz“ mit Tobias Moretti (Regie: Andreas Prochaska) zu sehen. In Ihrer Tätigkeit als IC war sie zuletzt für die Produktionen „Nichts, was uns passiert“ (ARD-Mittwochsfilm), „Blutige Anfänger“ (ZDF) und „Die Kaiserin“ (Netflix) aktiv.

www.juliaeffertz.com

www.intimacycoordination.de

Ergänzung: Wir haben die genderneutrale Formulierung unserer Interviewpartnerin beibehalten.



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